
Reden bei der Preisverleihung des Stanislav Zámečník-Preises des Comité International de Dachau NS-Dokumentationszentrum München, 17. März 2018
" Ende April 1945 hielt im Bahnhof der Kleinstadt Poing, nur etwa 20 km von hier entfernt, ein Zug mit etwa 3.000 KZ-Häftlingen aus dem Dachauer Außenlagerkomplex Mühldorf. Kurz zuvor hatte die Räumung dieser Lager begonnen. Da die weitere Bahnstrecke nicht passierbar war, blieb der Zug im Bahnhof Poing stehen. Dann herrschte – zumindest für die einheimische Bevölkerung – zunächst eine trügerische Ruhe. Ein Passant erinnerte sich später daran mit den Worten: „Es war damals ein schöner sonniger Tag und die SS saß am Bahndamm und bewachte die Häftlinge.“ Zur etwa gleichen Zeit begann hier in München die heiße Phase der „Freiheitsaktion Bayern“. Die genauen Zusammenhänge zwischen diesem Aufstandsversuch und dem Geschehen in Poing sind schwer zu rekonstruieren. Jedenfalls sprach sich unter den KZ-Wachmannschaften des Zuges am Nachmittag des 27. oder 28. April herum, dass der Krieg beendet sei. Daraufhin setzten sich etliche Wachmänner ab, die Türen wurden geöffnet und die überraschten Häftlinge wähnten sich in Freiheit. Nun begannen sie, sich mit Nahrung zu versorgen und begaben sich dafür auch in die Ortschaft. Einwohner erinnerten sich später, von den Wachmännern über das vermeintliche Kriegsende informiert worden zu sein und an befreite KZ-Häftlinge. Aber als in Poing nach etwa einer Stunde klar wurde, dass die Nachricht vom Kriegsende eine Falschmeldung gewesen war, eskalierte die Situation: Plötzlich sah man die Häftlinge nicht mehr als befreit, sondern als geflohen an."






Gedenkfeier Max Mannheimer