Paul Kerstenne

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„Man vergißt zu oft, daß dieses Lager und die anderen, die ihm folgten, nicht die Unterwerfung von Ausländern zum Ziel hatten (die erst nach den Invasionen, nach 1939 dorthin gebracht wurden), sondern die der Bürger Deutschlands, die den Mut hatten, sich gegen das NS-Regime aufzulehnen"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paul Kerstenne wurde am 26. Dezember 1921 in Ans (nicht weit von Lüttich, Belgien) geboren. Als die Deutschen in Belgien einfallen und das Land besetzen, beschließt er zusammen mit fünf Freunden nach England zu fliehen, um gegen den Nazismus zu kämpfen und sich den kämpfenden Truppen anzuschließen.Er fährt durch Frankreich, um sich in Portugal einzuschiffen, wird aber im September 1942 in Chalon sur Saône verhaftet, als er die Demarkationslinie mit seinen fünf Kameraden überqueren wollte. In Chalon und Dijon und dann in Brüssel inhaftiert und gefoltert, wird er nach Dachau verschleppt, wo er am 27. Februar 1943 ankommt. Seit zwei Monaten ist er 21. Er hat die Matrikel nummer B 44329. „Unser Name bestand nunmehr aus einem Code, der sich aus den Initialen unseres Herkunftslandes und einer Nummer zusammensetzte „. Er gehört zu der Menge der Versklavten und im 1943/44 entgeht er mehrmals den Tod mit knapper Not: Typhus und Koma im 1943, Halsgeschwüre und Lungenentzündung in 1944 mit anschließender Tuberkulose. Kaum aus dem TBC-Block entlassen, wo er dank des Eingreifens von Arthur Haulot durch einen tschechischen KZ-Insassen (Prof. Alaska) behandelt werden konnte, arbeitet er im Winter 44/45 (Februar-März) in der Plantage, einem der schrecklichsten Arbeitskommandos in Dachau. Er muß die Wege säubern, den Schnee schaufeln, ihn auf Lastwagen laden, und ihn dann wieder abladen. Er muß auch die Erde hacken, mit dem Spaten umgraben. Das waPaulKerstenner für ihn die schlimmste Zeit in Dachau. Sein Überleben verdankt er an einem Kapo, der ihn im Unterkommando „Rosenpflanzen" arbeiten läßt, wo er entlang dem Stacheldraht der Plantage Rosenstöcke pflanzt.


Wenn es ihm mehrmals gelang „sich von Neuem an das Leben zu klammern, oder zumindest an das, was von Leben übrig geblieben war", ist es dank Freunden, die ihm einem Kommando zugeteilt haben, das nicht der SS sondern der Wehrmacht unterstand, die ihm von einer Überführung in ein anderes Lager bewahren konnten, die „mich in allerschlimmsten Umständen dennoch zum Lächeln gebracht haben. Das hört sich nicht nach viel an, es war aber enorm wichtig!"
Bei der Lagerbefreiung hilft er im Internationalen Komitee Charles Baum und Arthur Haulot, um das Überleben der Häftlinge zu sichern und, da er auf der Schreibmaschine scheiben konnte, saß er im ersten Stock des Jourhauses und schrieb Passierscheine für manche Häftlinge, damit sie das Lager verlassen konnten, welches damals unter Quarantäne stand.
Kurz nach der Befreiung erkrankt er wieder an Flecktyphus, fällt wieder in Koma und kann erst am 18. Juni 1945 nach Belgien zurückkommen. Im 1945/1946 ist er zur Genesung in einem Krankenhaus in der Schweiz, kehrt dann in seiner Heimat zurück und wird bei der Versicherungsgesellschaft, wo er vor seiner Deportation arbeitete, wieder aufgenommen.
Beständiger Verteidiger der Demokratie mit einer grenzenlosen Liebe zur Freiheit, treuer Freund, aufgeschlossen, tolerant, er engagierte sich seit dem Anfang im Internationalen Dachau Komitee. Bei der Neugründung des Internationalen Verbindungskomitees der ehemaligen Dachau Häftlinge im November 1955 hat Paul KERSTENNE die Mitgliedskarte Nr. 0063. Im 2013 war er der letzte Überlebende der 15. Gründungsmitglieder unseres Comité International de Dachau (gemeinnütziger Verein, welcher in Brüssel am 20. November 1958 gegründet wurde). Schatzmeister der Fondation Internationale de Dachau (FID) seit derer Schaffung im 1995, wir er derer Präsident am 4. Mai 2002 bis ihrer Auflösung. Schatzmeister und Verwalter des CID seit 1990 tritt er im 2007 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Seit Mai 2007 Ehrenschatzmeister lag es ihm am Herzen nach München zu kommen, um an unserer Generalversammlung im April 2012, teilzunehmen. Er ging oft in den Schulen, um die Botschaft der Überlebenden zu übermitteln: „Diese Erinnerung soll die heutigen und die zukünftigen Generationen inspirieren." Anläßlich des 60. Jahrestags der Befreiung des KZ-Lagers Dachau hatte er an dem von Anne Bernou und Fabien Théofilakis organisierten deutsch-französischen Kolloquium „Das Konzentrationslager Dachau: Erlebnis, Erinnerung, Geschichte" teilgenommen und dabei daran erinnert: „Man vergißt zu oft, daß dieses Lager und die anderen, die ihm folgten, nicht die Unterwerfung von Ausländern zum Ziel hatten (die erst nach den Invasionen, nach 1939 dorthin gebracht wurden), sondern die der Bürger Deutschlands, die den Mut hatten, sich gegen das NS-Regime aufzulehnen". Und auf die Frage über die Bedeutung der Zeitzeugenberichte antwortete er unter anderen: „Das ist unsere Hoffnung: daß die Jugend sich bewußt wird, daß ihr kostbarstes Gut die Freiheit ist und daß diese Freiheit ohne Demokratie unerreichbar ist".

 

Ein Video von Paul Kerstenne

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