Schießplatz Hebertshausen
I2014 wurde ein Gedenkort für
die über 4000 sowjetischen
Kriegsgefangenen gestaltet, die von 1941
bis 1942 hier ermordet wurden.
Schießplatz Hebertshausen
Max Mannheimer ehem. „SS-Schießplatz Hebertshausen" 2.5.2014
"Schon in den ersten Monaten des deutsch-sowjetischen Krieges verhungerten in den Lagern der Wehrmacht mehr als zwei Millionen sowjetische Kriegsgefangene. Rund eine Million Menschen verloren ihr Leben bei der 900-tägigen Hungerblockade Leningrads. Hunderte von Dörfern wurden in Belarus wegen angeblichen Partisanenverdachts vernichtet. Hunderttausende sowjetische Juden waren allein in den ersten Kriegsmonaten von den Mordkommandos der Einsatzgruppen erschossen worden.
Trotz des ungeheuren Ausmaßes dieser Verbrechen spielt der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion in der Erinnerungspolitik der Bundesrepublik Deutschland nur eine nachgeordnete Rolle. Dies lässt sich auch am Umgang mit dem ehemaligen „Schießplatz Hebertshausen" ablesen.
Hier waren von 1941 bis 1942 über 4000 sowjetische Kriegsgefangene von Dachauer SS-Männern ermordet worden. Doch nach der Befreiung bestimmte der Antikommunismus des „Kalten Krieges" die politische Stimmung in der neugegründeten Bundesrepublik. Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen und die Ermordung der sowjetischen Kriegsgefangenen wurde dagegen völlig verdrängt.
Das Gedenken an die Mordopfer am „Schießplatz Hebertshausen" hielten fast allein deutsche Überlebende des Konzentrationslagers wach, darunter viele Kommunisten, die sich gegen die nationalsozialistische Diktatur gestellt hatten. So war es auch die Lagergemeinschaft Dachau, die 1964 das erste Denkmal hier an dieser Stelle errichtete."
Mai 2014 |
"Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang der Gedenkstättenleiterin Frau Dr. Hammermann und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die eine hervorragende Ausstellung für diesen Gedenkort erarbeitet haben. Denn durch diese Ausstellung werden die Besucher künftig anschaulich und mit wissenschaftlicher Genauigkeit über die geschichtlichen Hintergründe der Mordaktion auf dem „Schießplatz Hebertshausen" informiert."
Die grausame Geschichte von Augenzeuge Josef Thora |
"In eine der Schießfluchten fuhren die LKW mit den russsischen Kriegsgefangenen rückwärts hinein. Die Kriegsgefangenen mußten aus den LKWs herausspringen und sich in der Flucht in der Reihe von 5 Personen aufstellen. Darauf wurde die Anordnung gegeben, daß sich alle Kriegsgefangenen nackt ausziehen mußten. Auf den Wällen standen einige SS-Soldaten mit bereitgestelltem Maschinengewehr.
Eine Gruppe von 5 SS-Leuten faßte je einen Kriegsgefangenen bei der Hand und führte diesen im Laufschritt aus der einen Schießflucht in die andere hinein, um sie an die im vorderen Teil der Schießflucht befindlichen etwa 1 m hohen Holzpflöcke anzubinden. Hierfür waren offenbar eigene Vorrichtungen getroffen, denn das ging sehr schnell. Darauf entfernten sich die SS- Leute und es stellte sich in einer Entfernung von etwa 15 m eine Gruppe von meines Wissens 20 bewaffneten SS-Leuten auf. Auf ein Kommando feuerte jeder dieser SS-Leute einen Schuß ab. Ein großer Teil der 5 Gefangenen sank sofort, aber langsam zu Boden. Wenn noch einer stehenblieb, lief der Leiter des Kommandos nach vorne und gab dem betreffenden Gefangenen einen Genickschuß. Dann trat das Exekutionskommando beiseite und es fuhr eine weitere Gruppe von SS-Leuten zu den erschossenen Gefangenen, um diese auf einen Rollwagen zu verladen. Man fuhr dann die Leichen aus der Schießflucht heraus und warf sie auf einen Haufen." |
Augenzeuge Josef Thora bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht Nürnberg im Jahre 1950 |
"Die Kriterien, auf die sich Wehrmacht und SS verständigt hatten, um sowjetische Kriegsgefangene in Dachau und anderen Konzentrationslagern ermorden zu lassen, spiegeln die antisowjetischen und antisemitischen Feindbilder der Nationalsozialisten wieder: so zählten zu den Mordopfern vor allem kommunistische Funktionäre, Intellektuelle und Juden.
Doch die nationalsozialistischen Täter wollten die sowjetischen Kriegsgefangenen nicht nur töten. Sie legten es vielmehr darauf an, auch ihre Namen und damit jede Erinnerung an die individuellen Opfer auszulöschen; die Kriegsgefangenen wurden eingeäschert und ihre Asche anonym beim Krematorium des Konzentrationslagers vergraben.
Umso mehr ist die Leistung der Forscher hervorzuheben, denen es im Auftrag der Gedenkstätte Dachau gelungen ist, bis zum heutigen Tage 900 Opfernamen zu ermitteln und dem Vergessen zu entreißen. Ich finde es wichtig, dass in der Ausstellung auch einzelne Biografien von Kriegsgefangenen vorgestellt werden. Denn so können sich die Besucher am „Schießplatz Hebertshausen" ein Bild vom Leben dieser Menschen machen und sie als Persönlichkeiten erfahren.
Gleichzeitig appelliere ich an die unterschiedlichen Archive in Deutschland, in Belarus, der Ukraine und in Russland, die Bemühungen der Gedenkstätte zu unterstützen, damit auch die noch fehlenden Namen festgestellt werden können."
"bei einem Treffen mit den Präsidenten der internationalen Überlebenden-Verbände in Berlin, haben wir in unserem „Vermächtnis" formuliert, dass die ehemaligen Lager „steinerne Zeugen" darstellen: „Sie sind Tatorte, internationale Friedhöfe, Museen und Orte des Lernens. Sie sind Beweise gegen Verleugnung und Verharmlosung und müssen auf Dauer erhalten werden." Auch der „Schießplatz Hebertshausen" ist ein solches Zeugnis. Deshalb hoffe ich, und damit möchte ich schließen, dass der nun gestaltete Gedenkort dazu beiträgt, die Erinnerung an die zahlreichen sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkrieges stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Bewußtseins zu rücken."